Echnaton - eine phantastische Figur für einen historischen
Roman. Schließlich war er einer der revolutionärsten
Herrscher, der jemals in der Menschheitsgeschichte auf einem Thron
gesessen hat.
1350 Jahre vor unserer Zeitrechnung reformiert der Pharao Amenophis
IV, der sich selbst Echnaton nennt und mit Nofretete verheiratet
ist, das religiöse und gesellschaftliche Leben seiner Zeit
vollkommen und radikal: Er verbietet die verschiedenen Götterkulte,
schließt die Tempel, entläßt die mächtige
Priesterschaft und untersagt dem gemeinen Volk das Begehen der
göttlichen Feiertage.
Siegfried Obermeier vergleicht dieses Vorgehen im Nachwort zu
seinem Roman damit, "als hätte ein Papst 1300, also
in Zeiten tiefster mittelalterlicher Frömmigkeit, ex cathedra
verkündet, der bisherige Glaube an eine Dreifaltigkeit,
die Verehrung der Gottesmutter und aller Heiligen sei falsch -
ja blasphemisch."
Leicht, sich vorzustellen, daß Echnaton sich nur wenige
Freunde schuf, sogar so wenige, daß er beschließt
seine alte Hauptstadt Wasset zu verlassen und mitten im Ödland
Achetaton, die Stadt seines einzigen Gottes, des Sonnengott
Aton, in wenigen Jahren mit immensem Kraftaufwand aus dem Boden
zu stampfen.
Obermeier beschreibt in seinem Roman die Jugendjahre des Pharaos,
und auch sein großes Schlüsselerlebnis, als ihm der
Vater einen kleinen Aton-Tempel zeigt.
Selbst an der Macht entwickelt er sich zu einem immer engstirnigerem,
politisch und gesellschaftlich desinteressierten Herrscher, der
die Geschicke des Landes seiner Mutter Teje überläßt
und in seinen religiösen Wahn flieht.
Jahr um Jahr verfällt der Pharao mehr und mehr dabei seiner
Alkoholsucht, während die entmachteten alten Kräfte
sich wieder organisieren und auf die Wiederherstellung der alten
Machtverhältnisse drängen.
Viele kleine Einzelschicksale, wie das des Polizeichefs Mahu oder
seines Nachfolgers Bagsu und dessen Gehilfen Restep bevölkern
den Roman ebenso wie die großen Tragödien des Obersten
Priesters Maj, die das umfangreiche Werk als abenteuerreiche Unterhaltungslektüre
lesenswert machen.
Im Prinzip hat Obermeier seine Geschichte ähnlich aufgebaut
wie Christian Jacq seine Ramses-Romane, nur fehlt ihm mehr die
kulturelle Tiefe und auch die Reflexion über Echnatons Monotheismus.
Der Roman bleibt auf einer aktionsreichen Ebene zwischen den Figuren
und komprimiert am Ende in einer Art großem Showdown auf
wenigen Seiten das weitere Geschehen von Echnatons Tod (oder Ermordung)
bis zu Haremhabs Machtübernahme.
In seinem Roman Echnaton neigt Obermeier insgesamt mehr zur Fülle
als in all seinen
früheren historischen Romanen und es fehlt
ein wenig die philosophische Reflexion einzelner Figuren über
sich selbst, ihre Antriebe und Motive für ihr Handeln. So
z.B. erfährt der Leser mehr über die Zwänge, die
die Wege des Polizisten und Berufskillers Bagsu leiten, als über
die Hintergründe von Echnatons umwälzenden Entscheidungen.
Mehr Spekulationsfreude über einen Pharao, dessen Nachfolger
aktiv versucht hatten ihn völlig aus dem Buch der Geschichte
zu tilgen, hätte dem Roman gut getan.