Die Belagerung des Glücks
Michel Tournier -
Lucio oder die Belagerung des Glücks

Autoren, die von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gern gelesen werden, sind selten. Der französischer Schriftsteller Michel Tournier ist einer von ihnen. Bereits 1970 erhielt er den "Prix Goncourt", den wichtigsten französischen Literaturpreis, und es heißt, daß er als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt wird.

Mit seinen Kinderbüchern "Freitag, oder das Leben in der Wildnis" und "Die Könige aus dem Morgenland" hat er seine Leser verzaubert, indem er bekannte literarische Stoffe neu erzählte.

Sein neues Werk "Lucio - oder die Belagerung des Glücks" spielt im 15. Jahrhundert auf Schloss Cléricourt in Frankreich, das damals von den Engländern umzingelt wurde.

Jérôme Faber hat sich dort nach einer Reise durch Italien zusammen mit seinem kleinen Sohn niedergelassen. Da sich die Belagerung monatelang hinzieht, fordert Faber, der sich ganz dem Prinzip der Logik und Vernunft verschrieben hat, den englischen Belagerer Exmoore zu einem Spiel heraus. Jegliches Karten- oder Würfelspiel lehnt er strikt ab, da hierbei der Zufall den Spielausgang zu stark bestimme. Er bevorzugt ein reines Strategiespiel, um die Kräfte des Geistes aneinander zu messen. Das Spiel der Könige, Schach, ist da genau richtig.

Der Spielausgang ist frappierend, zumal Faber vom lachenden Gewinner erfährt, daß er gerade zum ersten Mal eine Partie gespielt und bis jetzt die Regeln nicht richtig verstanden habe.

Für Faber ist es niederschmetternd, daß anstelle seiner über alles propagierten Logik, wieder einmal die Intuition, das Glück, den Sieg davongetragen hat.

Am Ende lernt Faber noch eine ganze Menge von seinem kleinen Sohn Lucio. Es ist das kleine Kind, das durch einen Akt der Neugierde die Belagerung beendet.

Michel Tournier hat sein Buch wie einen Spiegel aufgebaut: Die Belagerer erkennen sich in den Belagerten wieder; die Spieler sitzen sich auf schwarzen und weißen Spielfeldern beim Schach spiegelbildlich gegenüber. Doch die Auflösung der Probleme gelingt immer nur aus einer Kombination des Prinzips der Logik gepaart mit Fortuna, der Göttin des Glücks - oder auch des Schicksals.

( Lesealter: etwa 12 Jahre )

Michel Tournier - Lucio oder die Belagerung des Glücks
aus dem Französischen von Hellmut Waller
Originaltitel: 1994, "La couleurvrine"
1999, München, Hanser Verlag, 65 S.  (unverb. Preis)

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999/02/26
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Quelle: http://www.bookinist.de
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