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Monika Maron - Pawels Briefe

"Pawels Briefe", das sind die Briefe des Großvaters von Monika Maron, die er 1942 aus dem Ghetto Belchatow an seine Kinder in Berlin geschrieben hat und die viele Jahre unbeachtet auf dem Speicher lagen. In langen Sequenzen versucht die Autorin das Leben des nie gekannten Großvaters und seiner Frau zusammenzusetzen.

Geboren wurde Pawel 1879, doch erst sieben Jahre nach seiner Geburt läßt sein des Lesens und Schreibens unkundiger jüdischer Vater seinen Sohn auf den Namen Schloma amtlich registrieren. Dieser bürokratischen Akt, der die Geburt von Schloma anzeigt, der sich später Pawel nennt und sich vom Judentum und seiner Familie lossagt, ist zugleich sein Todesurteil. "Er wurde als Jude geboren, er ist als Jude gestorben, aber er hat nicht als Jude gelebt."

Pawel, mittlerweile Baptist, lebt mit seiner Ehefrau Josefa in Berlin, wird 1939 aufgefordert in seine Heimat nach Polen zurückzukehren. Josefa hat die Wahl, bei ihren vier Kindern in Berlin zu bleiben und sich von ihm scheiden zu lassen oder mit ihm zu gehen. Für sie ist klar, daß sie ihn nicht allein läßt. Sie stirbt 1942 qualvoll an Krebs, allein gelassen, ohne ihre Kinder wiederzusehen; Pawel ist zu dieser Zeit schon im Ghetto Belchatow und wird dort im Juni 1942 ermordet. Die wenigen Briefe von ihm aus dieser Zeit, bitten die Kinder um Vergebung, was er ihnen und ihrer Mutter angetan hat. Hat er wirklich Schuld?

Während der Arbeit an diesem Buch schält sich für Monika Maron immer mehr eines heraus: "In unserer Familie ist niemand dem Glauben treu geblieben, in dem er erzogen wurde." Die Mutter Monika Marons, Hella, lehnt den christlichen Glauben der Eltern strikt ab. Sie ist überzeugte Kommunistin und heiratet den späteren DDR -Funktionär Kurt Maron. Es wäre leicht für sie gewesen, nachdem sie bei Kriegsende eine Wohnung in Neukölln hat, im Westteil der Stadt zu bleiben, doch Hella war vom Osten überzeugt.

Monika Maron hat sich schon in ihren früheren Büchern ("Flugasche", "Stille Zeile 6") mit dem lähmenden System der DDR auseinandergesetzt, übersiedelt 1988 in den Westen, da ihr die Zustände im Osten unerträglich sind.

"Die materielle Kärglichkeit der DDR wäre zumutbar gewesen, hätte sie die Freiheit der Wahl gelassen, statt ein kleinbürgerliches Lebensideal zum Maß für alle zu erheben, und wäre nicht jedes Ding vom Wohnhaus bis zum Wasserglas dem Diktat des schlechten Geschmacks unterworfen gewesen. Wem die Kleinbürgerlichkeit angemessen war und der schlechte Geschmack zu eigen, konnte sich als wohlhabend empfinden, vorausgesetzt er hatte seinen Platz in der Diktatur gefunden ohne sich täglich an ihr zu stoßen".

Monika Maron hat die Tür zum Kommunismus kräftig zugeworfen und forscht in ihrer eigenen Familiengeschichte, in der sie mit den Großeltern beginnt, und sie als große, umfassende äußere Klammer benutzt, nach den Notausgängen, die irgendeiner der Beteiligten hätte benutzen können. Doch je länger sie daran arbeitet wird ihr deutlich: "den verpaßten Ausweg aus Hellas und damit meiner Biographie, nach dem ich mit Hilfe aller denkbaren Vielleichts immer wieder fahnde, den gibt es nicht."

In ihrem ihr eigenen, eindringlichen Stil schreibt Monika Maron über zwei wichtige Etappen der deutschen Geschichte. Zum einen die Zeit des Dritten Reichs, mit der Judenverfolgung, bis hin zum II. Weltkrieg und dann, den Wiederaufbau, die Teilung Deutschlands bis zum Fall der Mauer.

"Pawels Briefe" ist einer der ersten deutschen Romane, der diese Kapitel der deutschen Geschichte sehr feinfühlig am Beispiel einer Familie beschreibt, deren Mitglieder alle verzweifelt nach einem Schlupfloch ihrer Biographie gesucht und es nicht gefunden haben - die Geschichte war jeweils schneller.

Ein schönes Detail am Rande, das nicht unerwähnt bleiben soll, sind die beigefügten Fotos aus dem Familienalbum der Familie Maron.




Monika Maron - Pawels Briefe
1999, Frankfurt, S. Fischer Verlag, 205 S., (unverb. Preis)

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© by Manuela Haselberger
rezensiert am 1999/02/23
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Quelle: http://www.bookinist.de
layout © Thomas Haselberger