Grün und blau
Anna Quindlen - Kein Blick zurück

Gleich in ihrem ersten Satz packt Pulitzer- Preisträgerin Anna Quindlen das Thema ihres Romans "Kein Blick zurück" beim Schopf: "Als mein Mann mich zum ersten Mal schlug, war ich neunzehn Jahre alt." Es dauert noch einmal so lange, bis Fran zusammen mit ihrem zehnjährigen Sohn Robert an einem schönen Herbsttag in New York in den Bus steigt und die Flucht vor dieser unerträglichen Ehe ergreift. "Von außen betrachtet, sah alles bestens aus: die Arbeit, das Haus, das Kind, der Mann und das Lächeln. Niemand bekam die Schläge zu sehen, und das war die eigentliche Demütigung, die sich in Haß verwandelte. Ich haßte nicht bloß Bobby, ich haßte mich selbst."

Im entfernten Florida will sie sich eine neue Existenz aufbauen. Keine gebrochene Nase mehr, keine aufgeplatzten Lippen oder blau geschlagene Augen. Fran weiß jedoch, ihr Mann Bobby hat es ihr in unzähligen Wutausbrüchen geschworen, wobei sie seltsamerweise nie so genau ahnt, was ihn wütend macht, daß er als Polizist, eine Vielzahl von Möglichkeiten besitzt ihren neuen Wohnsitz herauszufinden, sollte sie es jemals wagen ihn zu verlassen.

Der Start ins neue Leben ist erfolgreich. Fran findet einen Job als Krankenpflegerin, Bobby geht in eine neue Schule. Alles wäre in Ordnung, zumindest nach außen hin, wenn nur der kleine Bobby seinen Vater nicht so schrecklich vermissen würde. Schwer ist dem Kind die Situation in der Ehe zu erklären, war doch Fran die ganze Zeit seines Lebens damit beschäftigt, die Gewaltausbrüche seines Vaters vor ihm zu vertuschen und ihre Verletzungen als kleine Ungeschicklichkeiten und Unfälle zu tarnen.

"Kein Blick zurück" ist ein Roman gleich einem Kammerspiel. Mit unglaublicher Sensibilität leuchtet die amerikanische Schriftstellerin Anna Quindlen die verschiedenen Szenarien des Themas "Gewalt in der Ehe" aus. Längst sind nach dem schweren Schritt der Trennung die erlittenen Verletzungen auch nicht ansatzweise verheilt. Kernpunkt Anne Qindlens Roman ist die Frage: Wie entwickelt sich aus einer anfangs leidenschaftlichen Liebe eine zerstörerische, gewalttätige Ehe, voller Angst? Die Antwort darauf liest sich ungemein spannend und ist psychologisch ausgefeilt, aber wer ein Happy - End erwartet, wird enttäuscht. Vermutlich ist dies im wirklichen Leben auch nicht zu haben.

Fran ist schon über ein halbes Jahr in Florida und wiegt sich schon ein wenig in Sicherheit, bis ihr eines abends, sie ist schon zu Bett gegangen, der Rauch einer Zigarette in die Nase steigt - Marlboro, Bobbys Marke.

Anna Quindlen - Kein Blick zurück
Übersetzt von Elke Hosfeld
Originaltitel: © 1998, "Black and Blue"
1999, München, btb, 287 S. DM

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