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    Die Unwissenheit
    Milan Kundera
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    Daher hatte sie vor ihrem Weggang in die Emi-gration, als sie sortierte, was sie mitnehmen und was sie dalassen würde, den kleinen Aschenbecher aus der Bar in einen Koffer getan; im Ausland trug sie ihn oft in ihrer Handtasche bei sich, heimlich, als Glücksbringer.
    Sie erinnert sich, daß er im Warteraum des Flughafens in ernstem und sonderbarem Ton ge-sagt hat: »Ich hin ein absolut freier Mensch.« Sie hatte den Eindruck, daß ihre zwanzig Jahre zuvor begonnene Liebesgeschichte nur auf den Zeitpunkt aufgeschoben worden war, in dem sie beide frei waren.
    Und sie erinnert sich an einen anderen Satz von ihm: »Ich komme ganz zufäHig über Paris«; Zufall ist ein anderer Ausdruck für Schicksal; er mußte über Paris kommen, damit ihre Geschichte da weiterging, wo sie abgebrochen war.
    Mit dem Handy in der Hand versucht sie ihn von überall anzurufen, im Café, in der Wohnung einer Freundin, auf der Straße. Die Telefonnum-mer des Hotels stimmt, aber er ist nie in seinem Zimmer. Sie denkt den ganzen Tag an ihn und, da die Gegensätze sich anziehen, an Gustaf. Als sie an einem Andenkenladen vorbeikommt, sieht sie im Schaufenster ein T-Shirt mit dem düste-ren Gesicht eines Tuberkulosekranken und einer englischen Aufschrift: Kafka was born in Prag. S. 92