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    Die leichten Schritte des Wahnsinns
    Polina Daschkowa
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    "Wenja, bist du ein neuer Russe?" fragte Lena.
    "Ich weiß nicht." Er zuckte die Schultern. "Vermutlich ja. Kommt drauf an, was man unter diesem Begriff versteht.."

    Innerhalb weniger Minuten entspann sich zwischen Michael und Wolkow ein lebhaftes Gespräch. Während Lena mechanisch übersetzte, betrachtete sie diesen freundlichen, intelligenten, gut erzogenen Menschen und dachte, es sei unmöglich, sich ihn in der Rolle eines Verbrechers vorzustellen. In der Rolle des feurigen Verliebten ebensowenig.

    "Business im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es hier noch nicht", sagte Wolkow. "Bei uns ist Business so eng mit dem kriminellen Milieu verflochten, daß es unmöglich ist, eine genaue Grenze zu ziehen, nicht einmal annähernd."

    "Wollen Sie damit sagen, daß es bei Ihnen praktisch keinen Unterschied zwischen Geschäftsleuten und Gangstern gibt? Und wie sieht es mit den Politikern aus?"
    "Genauso. Unser gesamtes Kapital, auch das der Parteien, hat einen kriminellen Ursprung."

    "Was glauben Sie, ist das nun das Resultat des bolschewistischen Regimes, oder handelt es sich um ein ganz neues, eigenständiges Phänomen?"

    "Jedes Phänomen hat seine Wurzeln. Was jetzt geschieht, kommt nicht von ungefähr. Ich weiß nicht, welches Regime besser ist, das bolschewistische oder das kriminelle."
    "Meinen Sie nicht, daß das verwandte Begriffe sind?" Michael kniff die Augen zusammen. "Viele Bolschewiken waren Banditen. An die Macht kamen sie auf den Schultern der Lumpenproletarier und Verbrecher."
    "Mein Großvater war Kommissar und Bolschewik", Wolkow, "und ich bin ein erfolgreicher Geschäftsmann. Alles im Leben ist relativ und miteinander verflochten ... Frierst du? Deine Hände sind eiskalt. Ich möchte dich umarmen und wärmen."S. 282