Bookinist presents





Das Literarische Quartett
  Marcel Reich-Ranicki -   Hellmuth Karasek -   Sigrid Löffler


am 30.Juni 2000 im ZDF von der EXPO mit folgenden Titeln
weitere Titel


Paula Fox
Was am Ende bleibt


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Susanne Riedel
Kains Töchter


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J.M.G. Le Clézio
Ein Ort fernab der Welt


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Titel




Haruki Murakami
Gefährliche Geliebte


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Christoph Hein
Willenbrock


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zur B oo k inist
© by Manuela Haselberger
empfohlen ab 21.6.2000


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Paula Fox - Was am Ende bleibt

Mr. und Mrs. Otto Bentwood zogen ihre Stühle gleichzeitig hervor. Während Otto sich hinsetzte, betrachtete er das Strohkörbchen, in dem die Baguettescheibein lagen, eine Tonkasserolle, gefüllt mit sautierten Hühnerlebern, geschälte, aufgeschnittene Tomaten auf einem ovalen Porzellanteller mit chinesischem Weidenbaummotiv, den Sophie in einem Antiquitätenladen in Brooklyn Heights aufgestöbert hatte, und den Risotto Milanese in einer grünen Keramikschüssel. Ein starkes Licht fiel, vom bunten Glas eines Tiffany-Lampenschirms ein wenig gedämpft, auf dieses Mahl. Ein paar Meter vom Esszimmertisch entfernt lag ein weißes Rechteck auf dem Boden vor dem Eingang zur Küche, der Widerschein einer fluoreszierenden Röhre über einem Spülbecken aus rostfreiem Stahl. Die alten Schiebetüren, die früher die beiden Räume im Parterre voneinander getrennt hatten, waren längst getrennt worden, so daß die Bentwoods, wenn sie sich nur ein Wenig zur Seite drehten, die ganze Länge ihres Wohnzimmers im Blickfeld hatten, wo zu dieser Stunde immer eine Stehlampe mit weißem Halbkugelschirm brannte, und wenn sie wollten, konnten sie die alten Zedernbretter des Fußbodens, ein Regal, in dem zwischen anderen Büchern die gesammelten Werke von Goethe und zwei Bretter voller französischer Dichter standen, und die Ecke eines blankpolierten viktorianischen Sekretärs sehen . S. 5

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Susanne Riedel - Kains Töchter

In den letzten Januartagen, als die Menschen des Nachts wie lackierrt Eiswürfel in ihren Betten lagen und nur manchmal mit einem leisen Klirren gegeneinanderstießen, kam in dsen Bergen mein Onkel Zack zur Welt. Er hatte ein Mal von der Form eines Nagels an der Hüfte, und seine Augen rollten im Schlaf hin und her. Über dem Haus lag ein Schleier, etwas wie ein weißes Tuch, der Schnee, und dann war da die Stille auf den langen, bläulichen Schatten der Espen. Die Füchse in der Mitte der Erde bewegten sich, und früh am Morgen hatte meine Großmutter einen wirren Traum. Darin begegnete sie einer Feuersbrunst und einem Adler und erwachte vom Klappern ihrer eigenen Zähne. Beim Trinken liefen Zacks Augen über, zwei feuchte, taumelnde Glühwürmchen, die sich In ihren Haaren verfingen, bei Tagesanbruch milchig wurden und verloschen. Sie nannten ihn Zachariah, nach seinem Großvater, und schlossen Wetten darauf ab, daß er nicht alt werden würde.

Dies ist die Geschichte von Timpie Leghorn und Zack. Es sollte eine unzerbrechliche Geschichte sein, aus den Dingen, die man am Rande der Lügen entdecken kann: Moos und Holunderbeeren, Kirchenlieder, ein bläßlicher, geheimnisvoller Himmel, gefleckt wie ein Schwalbenei, die frühen Abende, an jenen das Licht langsam wird und breit und golden. Das habe ich meinem Mann gesagt, und Elijah hat mich gefragt, warum ich den Plunder, Kitsch und Tand, warum ich das Schöne und Gute erfinden will für mein Leben. Ich habe nicht geantwortet, weil ich weiß, die Menschen sollten solche Geschichten erleben, sie haben ein Recht darauf. Nur war diese eine für die Menschen nicht geeignet. S. 7-8

 
 
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JMG Le Clézio - Ein Ort fernab der Welt

Plötzlich tauchte er im verräucherten, von Öllampen beleuchteten Raum auf. Er riss die Tür auf, und einen Augenblick hob sich seine Silhouette in der Dunkelheit vor dem Eingang ab. Jacques hat es nie vergessen. So groß, dass sein Kopf fast den Türrahmen berührte, die Haare lang und struppig, das Gesicht sehr hell und mit kindlichen Zügen, seine langen Arme und breiten Hände, sein Körper in eine zu knappe, hochgeknöpfte Jacke gezwängt. Vor allem diese verstörte Miene, dieser verkniffene, von Trunkenheit getrübte Blick voller Bosheit. Regungslos blieb er an der Tür stehen, als zögere er, dann stieß er Schimpfworte, Drohungen aus, ballte die Fäuste. Es wurde still im Raum.

Ich denke daran, wie mein Großvater zum ersten Mal Rimbaud gesehen hat. Das muss Anfang 1872 gewesen sein, im Januar oder Februar. Ich kann das Datum an Amalias Todestag und am Besuch von Major William in dem Beerdigungsunternehmen und Devotionaliengeschäft feststellen, das sich im Erdgeschoss seines Hauses in der Rue Saint-Sulpice befindet. Nach ihrem Bruch mir dem Patriarchen, ihrer Vertreibung aus Gut Anna und ihrer Abreise aus Mauririus gegen Ende 71 hatten Antoine und Amalia eine Wohnung in Paris im Viertel Montparnasse genommen. In jenem Winter herrschte In Paris eine tödliche Kälte, in der Seine schwammen Eisschollen. Amalia hatte sich noch nicht richtig von dem Fieber erholt, an dem sie nach Léons Geburt gelitten hatte. Vielleicht war sie durch den Streit mit Alexandre noch anfälliger geworden. Sie starb in den letzten Januartagen an einer Lungenentzündung. Léon war noch kein Jahr alt. Mein Großvater Jacques war knapp neun. Als er seinen Onkel William begleitete, muss er in das Café an der Ecke Rue Madame / Rue Saint-Sulpice gegangen sein. Der Onkel dachte wohl, dass Jacques noch zu klein sei, um in dem Geschäft einen Kranz auszusuchen. Er ließ ihn vor einer Schale Glühwein in dem Bistro zurück.

Es war das erste Mal, dass Jacques Mauritius verlassen hatte. In Frankreich kam ihm alles herrlich und erschreckend vor, die fünfstöckigen Häuser, das Rattern der Kutschen auf dem Pflaster, die Züge, die öffentlichen Bäder in Montparnasse mit ihren hohen Schornsteinen, die schwarzen Rauch in den grauen Himmel spien, die Schneewehen an den Parkrändern und vor allem die Menschen, die dicht gedrängte Menge, die sich stoßend und drängelnd vorwärts schob. Die Männer hatten blasse, bärtige Gesichter, Hüte wie Ofenrohre, pelzgefütterte Umhänge, Spazierstöcke, Gamaschen. Die Frauen trugen unzählige Lagen von Röcken, Miedern, Kleidern und Mänteln übereinander, und auf ihren kleinen Köpfen mit den dicken Haarknoten waren sonderbare, schleierbesetzte Hüte mir Nadeln festgesteckt. Jacques musste sich an Onkel William drücken, seine kleine Hand wurde von der Pranke des Riesen fast zerquetscht. S. 15-16

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Haruki Murakami - Gefährliche Geliebte

Ich bin am vierten Januar 1951 geboren. In der ersten Woche des ersten Monats des ersten Jahres der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Eine denkwürdige Konstellation, nehme ich an, und darum gaben meine Eltern mir den Namen Hajime - japanisch für "Beginn". Ansonsten war es eine hundertprozentig durchschnittliche Geburt. Mein Vater arbeitete in einer großen Investment-Firma, meine Mutter war eine typische Hausfrau. Während des Krieges war mein Vater vom College weg eingezogen worden und nach Singapur an die Front gekommen; nach der Kapitulation verbrachte er einige Zeit in Kriegsgefangenschaft. Das Haus meiner Mutter brannte im letzten Kriegsjahr während eines Bombenangriffs nieder. Ihre Generation litt unter dem langen Krieg am meisten.

Als ich geboren wurde, hätte man jedoch nie vermutet, daß es einen Krieg gegeben hatte. Keine ausgebrannten Ruinen mehr, in einem Haus, das der Firma meines Vaters gehörte, noch aus der Vorkriegszeit; es war nicht mehr das neuste, aber recht geräumig. Im Garten wuchsen Kiefern, und wir hatten sogar einen kleinen Teich und ein paar steinerne Laternen.

Der Ort, in dem ich aufwuchs, war eine typische, gutbürgerliche Vorortsiedlung. Die Kinder aus meiner Klasse, mit denen ich befreundet war, wohnten durchweg in netten kleinen Reihenhäusern; ein paar davon mögen ein bißchen größer gewesen sein als unseres, aber sie hatten garantiert alle eine ähnliche Einfahrt, Kiefern im Garten und so weiter. Die Väter meiner Freunde waren entweder mittlere Angestellte, oder sie übten irgendeinen freien Beruf aus. Kaum eine Mutter ging arbeiten. S. 7