erlinde Koelbl liebt den Blick ins Private der Menschen. So war sie bereits in der guten Stube
("Das deutsche Wohnzimmer") oder hat Politiker wie Gerhard Schröder und Joschka Fischer über viele Jahre hinweg porträtiert,
um festzuhalten, wie das Leben ein Gesicht verändert
("Spuren der Macht").
In ihrem neuen Bildband dringt die erfolgreiche Fotografin in einen Raum vor, den man ungern jedem Besucher zeigt, denn hierher
zieht man sich zurück, ist man ungeschützt und sehr privat. "Das Interieur des Wohnzimmers wird für die Öffentlichkeit ausgewählt.
Ein bestimmtes Bild soll vermittelt werden. Es ist mehr Schein. Das Sein ist dem Schlafzimmer vorbehalten. Mit allen persönlichen
Vorlieben und Kuriositäten ausgestattet. Es ist das Nest. Der Rückzugsort."
Die Menschen, die Herlinde Koelbl besucht hat, wohnen in London, Paris, Berlin, Moskau, New York und Rom und es sind neben
einer Reihe berühmter Persönlichkeiten (Christoph Schlingensief, Lothar Schirmer, Jack Lang, Joop, Margarethe von Trotta), in
der Mehrzahl ganz durchschnittliche Bürger von der Straße, die sich von ihr ins Bild setzen lassen.
Sehr asketisch und karg geht es bei den beiden Yogalehrern in London zu; der Futon auf dem Holzboden, zwei Kerzen und ein
Hundertwasser an der Wand, das war's. Wer hätte gedacht, dass das Schlafzimmer des Designers Wolfgang Joop mit dicken
Blockstreifen in rot und weiß tapeziert ist? Ganz anders hingegen schläft Manager Olaf Henkel. Er fühlt sich in einem nüchternen
Raum mit japanischem Einschlag wohl, gehalten in Türkis und das schlechte Gewissen in Form eines Trimmrades direkt vor dem
Bett.
Es ist unglaublich, wie unterschiedlich die Menschen schlafen und wie sehr sich dies von Land zu Land unterscheidet. Von der
Pappbehausung eines Obdachlosen bis zum schwelgerischen Blick übers Meer direkt vom Bett aus ist tatsächlich alles vorhanden.
Wenn Sie wissen möchten, wo der bekannte Verleger Lothar Schirmer seinen Mittagschlaf hält oder einen Blick durchs
Schlüsselloch im Ministerium bei Jack Lang werfen möchten, dann wird ihre Neugierde von Herlinde Koelbl rundum befriedigt.
Man darf dieser meisterhaften Fotografin gratulieren. Es ist ihr wieder einmal gelungen mit ihren Bildern Lebensgeschichten zu
erzählen, die weit über die Bettkante hinausgehen.
© manuela haselberger