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Spuren der Macht Herlinde Koelbl - Spuren der Macht "Die Verwandlung des Amtes durch den Menschen dauert etwas länger als die Verwandlung des Menschen durch das Amt", meinte Joschka Fischer 1998. Und dass er damit recht haben könnte, beweist die Fotoserie "Spuren der Macht" von Herlinde Koelbl. Die Fotografin Koelbl arbeitete die letzten 8 Jahre an ihrer Langzeitstudie: Sie lichtete Politiker und andere einflussreiche Persönlichkeiten Jahr um Jahr ab und veröffentlicht nun ihre Arbeit. Parallel zu ihren Fotositzungen interviewte sie ihre freiwilligen Studienobjekte sehr gründlich: Ihre Fragen sind nicht oberflächlich, sondern zum Teil sehr vertraut und persönlich. Und die Antworten darauf erschließen dem Leser einen deutlichen Blick in den Charakter des Fotografierten. Doch erheblich schwerwiegender als das Wort kommt das Bild in diesem 30x23cm Band zur Geltung: Das Objektiv der Kamera ist ein gnadenloser Begutachter. Wie extrem die Veränderung im Äußeren sein können, beweist die Serie über Joschka Fischer - aus dem eher knuddeligen Knödel des Jahres 1991 wird ein drahtiger Elder Statesman - in nur 8 Jahren. Auch Angela Merkel durchläuft in knapp mehr als einer handvoll Jahren eine nicht zu leugnende Metamorphose. Würde Frau Koelbl 1999/2001 noch einmal auf den Auslöser drücken, so hätte der Parteispenden-Skandal der CDU und die Kandidatenfrage der Generalsekretärin Merkel einen noch unleugbareren Stempel in ihr Antlitz gedrückt. Aber nicht nur die Politik verbraucht: Frank Schirrmacher von der FAZ hätte 1991 noch gut als Werber für den Smiley des Phillips-Konzerns durchgehen können. Der Mann, der dem Betrachter 1998 in DIN-A4-Größe entgegenschaut, hat zwischenzeitlich wohl einiges an Illusion hinter sich gelassen. Dass nicht bei allen die Last des Amtes sich zwangsläufig eingraben muss, dafür könnte Karlheinz Blessing bürgen: Mit den Jahren zwar etwas fülliger, aber der Optimismus, der den anderen offenbar schneller abhanden kam als ihm, strahlt noch aus den dunklen Augen. Ob ein Dickschädel weniger Verschleißspuren zeigt als andere, könnte man mit der Bilderserie über Monika Hohlmeier, der Tocher von FJ.Strauß, vermuten ... Auch Konzernchefs altern mit ihrer Aufgabe: Das Siemens-Flagschiff auf den richtigen Kurs zu setzen, zehrt erheblich an den Konturen der Gesichtsmuskeln; möglicherweise verschaffen steigende Aktienkurse und das Schielen auf den Shareholder-Value Heinrich von Pierer aber wieder ein frischeres Aussehen. Einfluss im Amt und Verlust am Körper, der Preis der Macht, dafür stehen noch etliche andere Fotoserien in Koelbls interessantem Bildband: Ob Heide Simonis oder die rote Renate aus München, ob Irmgard Schwaetzer oder Rolf Schlierer - allen sieht man die Arbeitsbedingungen an. Bei Peter Gauweiler zeichnet sich das durch den Verlust der Kopfhaare sogar noch deutlicher ab. Einzig Kanzler Schröder zeigt eigentlich noch wenig Verschleiß - möglicherweise muss er das aber in seinem Amt in kürzerer Zeit absolvieren als Menschen in anderen Positionen und Berufen. Schade, dass Frau Koelbl Sabine Christiansen nicht mitverfolgt hat - auch in ihrem Geschäft nagt der Zahn der Zeit, der Stress und die Belastung ganz erheblich an der Contenance der hunderten von feinen Gesichtsmuskeln.
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© by Manuela Haselberger rezensiert am 28.1.2000 Quelle: http://www.bookinist.de layout © Thomas Haselberger
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