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Bookinists Buchtipp zu


Betrug

von Hellmuth Karasek

Ein anderer SPIEGEL-Mitarbeiter, der der die Innenansichten dieses Magazins in einem seiner Romane verarbeitet hat.




Rudolf Augstein und der SPIEGEL
Otto Köhler - Rudolf Augstein
Ein Leben für Deutschland

eide, Rudolf Augstein und DER SPIEGEL sind ohne einander nicht denkbar und so steht in der Biografie "Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland" des Journalisten und Autors Otto Köhler über seinen ehemaligen Chef, auch das von Augstein 1946 nach Kriegsende gegründete Nachrichtenmagazin im Mittelpunkt.

"Rudolf Augstein ist ja nicht nur er selbst, sondern immer auch das Produkt DER SPIEGEL."

Zunächst war der junge Augstein angetreten, die Politik der Besatzungsmächte zu dokumentieren und vor allem zu kritisieren, doch immer mehr nahm er die Mächtigen in Bonn aufs Korn. Begleitet hat er Adenauer, Kiesinger, Brandt und Kohl. Verhindert hat er Strauß als Bundeskanzler. Strauß trat damals im Zusammenhang mit der SPIEGEL-Affäre als Verteidigungsminister zurück und war für immer nach Bayern verbannt.

"Am Gegner Franz Josef Strauß aber formte er sich zu sich selbst, zum Demokraten und Republikaner Rudolf Augstein, der zum Vorbild wurde für viele, die damals aufwuchsen, die auf die Straße gingen während der so genannten SPIEGEL - Affäre."

Auch nicht ganz uninteressant ist, wie Bonn zur Hauptstadt auserkoren wurde. Mit etwas weniger Bestechungsgeldern wäre die Wahl vermutlich auf Frankfurt/Main gefallen.

Otto Köhlers profundes Wissen und sein ironischer, häufig süffisanter und scharfzüngiger Ton machen Augsteins Biografie zu einer gut lesbaren Geschichte der Bundesrepublik, wie sie in den Schulbüchern kaum zu finden ist. Doch wer heute mitreden will, der muss über die Anfänge Bescheid wissen.

Im zweiten Teil, den Köhler mit "Im Organ der Aufklärung" überschreibt, beschäftigt er sich sehr eingehend mit der Frage, warum es Augstein zulassen konnte, dass ehemalige NS- Größen in der Redaktion beschäftigt wurden und warum Rudolf Diels, Chef der Gestapo, eine mehrteilige SPIEGEL - Serie veröffentlichte.

Dies wirft ein zwiespältiges Bild auf den mächtigen Medien - Mann, der als Journalist des Jahrhunderts geehrt und mit dem Ludwig-Börne-Preis ausgezeichnet wurde.

Wer sich für die Geschichte der Bundesrepublik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts interessiert, der sollte an dieser spannenden Biografie nicht vorbei gehen.
© manuela haselberger


Otto Köhler - Rudolf Augstein
Ein Leben für Deutschland
incl. einigen sw-Fotografien

© 2002, München, Droemer, 416 S., 24.90 € (HC)






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Augstein hatte es schließlich selbst eingesehen: »Einen Gegner bekommen heißt Gesicht, Charakter, Inhalt und Sinn bekommen. Es heißt ganz einfach des Druckes teilhaftig wer-den, durch den man sich verdichtet.« Dieses Wort von Otto Flake aus dem Jahr 1932 stellte er der letzten, der dreißigsten Titelgeschichte über Franz Josef Strauß voran, die er selbst schrieb. Sie hieß »Tod und Verklärung des F. J. S.«.

Gegen Adenauer hatte der Nationalist Augstein als Jens Daniel gekämpft, für deutsche Souveränität und deutsche Einheit. Am Gegner Franz Josef Strauß aber formte er sich zu sich selbst, zum Demokraten und Republikaner Rudolf Augstein, der zum Vorbild wurde für viele, die damals aufwuchsen, die auf die Straße gingen während der sogenannten SpiegelAffäre. Eigentlich war auch sie eine der vielen Strauß-Affären, zunächst aber die Affäre eines kuriosen Freiherrn, dessen Wirken ich aus nächster Nähe miterleben durfte.

So gesehen begann die Spiegel-Affäre vom Oktober 1962 schon im August 1955 und für mich bereits im Januar 1954. Durch einen Artikel, geschrieben damals von meinem SDS-Genossen Lothar Bossle, den Franz Josef Strauß 1977 als »Zierde für jede bayerische Universität« der Würzburger Alma Mater aufzwang, damit er dort den geistigmoralischen Platz des Professors Friedrich August Freiherr von der Heydte einnehme. Zuvor allerdings, 1962, musste Rudolf Augstein ins Gefängnis, Franz Josef Strauß wurde gestürzt, und sein Sohn Franz Georg bekam schließlich vom Endverursacher Lothar Bossle die Promotion zum Dr. lourd. angeboten.

Zu kompliziert? Ja, da kann ich nicht helfen - das Leben spielt so, aber versuchen wir die Fäden zu entwirren.
Ich hatte schon ein Jahr in Würzburg studiert, da kreuzte dort 1954 eine der abenteuerlichsten akademischen Existenzen des 20. Jahrhunderts auf als - fragen wir nicht, wie, an der Julius-Maximilians-Universität war lange alles möglich -Ordinarius für Völkerrecht, Allgemeine Staatslehre, deutsches und bayerisches Staatsrecht und politische Wissenschaften: Friedrich August Freiherr von der Heydte.

Wissenschaftlich zeigte er sich als totale Niete, aber in Gesinnung war er ausgezeichnet. 1935 war er als nationalsozialistischer Emigrant aus dem Dollfuß-Österreich in Münster aufgetaucht und terrorisierte (»werden wir unserer vorgesetzten SS-Dienststelle Meldung machen«) das Studentenwerk, wenn im Studentenheim das SS-Organ Das Schwarze Korps nicht auslag. Im Krieg gehörte er zur übelsten Truppe, zu den Fallschirmjägern sprang als einer ihrer Anführer über Kreta ab, bekam von Hitler ein Ritterkreuz und dann drei Jahre später an der Invasionsfront in der Normandie auch noch das Eichenlaub dazu. Vor dem letzten Einsatz instruierte er seine Leute: »Wer Fallschirmjäger ist und zu meinem Regiment kommt, gibt alles andere auf...« Gleich darauf ging er in Gefangenschaft und lehrte dort sofort Demokratie.

Er hatte die wunderschöne Idee, die Bundeswehr in katholische und evangelische Regimenter aufzuteilen. Sie wurde nie verwirklicht, mit der unerfreulichen Folge, dass, statt sich nach irischem Vorbild in aller Ruhe gegenseitig auszurotten, deutsche Soldaten jetzt wieder in aller Welt antreten können.
Der Freiherr wurde Statthalter der Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grabe, und sein Wahlspruch war fortan: »Wir sind klerikal und bleiben klerikal, Gott möge uns dabei helfen.« Er gehörte auch noch anderen verdienstvollen Organisationen an, die sich den entschlossenen Kampf gegen Kommunismus und Sozialdemokratie aufs Panier geschrieben hatten, dem »Deutschen Kreis 58«, dem von Rainer Barzel gegründeten Verein »Rettet die Freiheit« und vielen, vielen anderen mehr.

Mit einer davon beschäftigte sich mein SDS-Genosse Lothar Bossle 1954 im Jungsozialisten-Organ Klarer Kurs: mit der »Abendländischen Akademie«, die im »modernen Vielparteienstaat« und in der »durch Ihn herbeigeführten Vergiftung des öffentlichen Lebens« einen »Ausdruck neuzeitlicher Willkür« erblickte - von der Heydte war ihr Vorsitzender.
Der Artikel im Juso-Organ wurde kaum beachtet. Doch dann interessierten sich Augstein und der Spiegel dafür, urid so schrieb Bossle 1955 zusammen mit einem ebenfalls stark links stehenden Hochschulassistenten namens Immanuel Geis für den Spiegel ein umfangreiches Stück über die »Abendländische Akademie«, samt der zugehörigen »Abendländischen Aktion«.

Da gab es dann einen Skandal, denn von der Heydtes abendländischem Verein, der das Grundgesetz abschaffen wollte, gehörten nicht nur einige Bischöfe und Prälaten an und Rudolf Augsteins alter Bekannter, der Nazi-General Hasso von Manteuffel, sondern auch die Bundesminister Heinrich von Brentano, Hans-Joachim von Merkatz, Theodor OberIänder, Franz-Joseph Würmeling, Hans Schuberth (a. D.) und der Bundestagsvizepräsident Richard Jäger, der sich als Kopf-ab-Jäger einen bekannten Namen gemacht hatte. Sie alle und noch einige mehr wollten, laut Programm, einen König, der nur von Gott abhängig ist, weil dieses »Königstum die wirklich gemäße Form für das oberste Herrscheramt eines Volkes ist«. Ein Bundespräsident dagegen in der »modernen Formaldemokratie«, ein »Präsident ist immer in Gefahr, die Macht in missverständlicher Weise zu repräsentieren, eben als Ausdruck der Volkssouveränität«.

Vorgesehen war im Programm auch noch ein Oberster Gerichtshof, der die Gesetze nach »göttlichem und natürlichem Recht« zu prüfen habe. Und welches Wunder, die Richter standen auch schon zur Verfügung: der Präsident des Verfassungsgerichtshofs von Rheinland-Pfalz Adolf Süsterhenn war im Vorstand und der Präsident des Bundesgerichtshofs Hermann Weinkauff im Kuratorium der Abendländischen Akademie. Natürlich unterschied sich das Projekt der Abendländer in seiner Verfassungswidrigkeit sehr von dem der KPD, die exakt ein Jahr nach Erscheinen des Spiegel-Artikels zum zweiten Mal seit 1933 verboten wurde. Um diesen Unterschied zu repräsentieren, war der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Joseph Wintrich, das die KPD wegen Verfassungswidrigkeit verbot, ein gern gesehener Gast der eben darum unmöglich verfassungswidrigen Akademie. Das nämlich fand der Generalbundesanwalt und spätere CDU-Abgeordnete Max Güde: Weil der Abendländischen Akademie so hochangesehene Persönlichkeiten angehören, könne sie, stellte er amtlich fest, unmöglich verfassungswidrig sein. S. 125-127


Es musste etwas anderes sein, was Augstein und Aust verbindet. Dieses Etwas, woran der Ziehsohn unwissend rührte wie an der Klinke zu Herzog Blaubarts verbotener Kammer, 1997 beim Spiegel-Jubiläum, als er versprach, weiter »zurück zu den Wurzeln« zu gehen und das Blatt damit in die Zukunft zu führen.
Nein, das Geheimnis von Rudolf Augstein, dem ich jetzt, Anfang 1992, von ihm dazu verführt, auf der Spur war, das sind nicht nur die Wurzeln des Spiegel, die bis dahin im Innern der Erde, aus der er wuchs, verborgen waren. Es ist auch die ganz spezielle Bodenmischung, ähnlich streng vor der Öffentlichkeit gehütet wie die Fabrikationsmixtur von Coca-Cola. Es ist das Geheimnis des Aufstiegs von Rudolf Augstein, der nicht allein auf den Glücksfall einer Zeitschriftenlizenz durch die britische Militärregierung zurückzuführen ist. Der Marionettenspieler aus der HJ-Puppengruppe, der fest daran glaubte, dass er die Strippen im Spiegel ziehe, wurde selber gezogen, eingespannt für Zwecke, von denen er nichts ahnte. »Ich habe den Spiegel gemacht, aber ich habe ihn nicht erfunden«, gestand er einige Jahre später, als man den Freund Henri Nannen zur ewigen Ruhe trug.

Die Wurzeln des Spiegel. Ich war durch Augsteins unverantwortlichen Leichtsinn auf das feine und doch kräftige erdbraune Netzwerk gestoßen. Zuvor waren sich Jäger und Opfer begegnet. Alexander Osang, damals bei der Berliner Zeiwng, heute Spiegel-Korrespondent in New York, hat dieses Geschehnis beschrieben:

»Manfred Stolpe wollte Stefan Aust kennenlernen - der brandenburgische Ministerpräsident den Chef von Spiegel- TV, der mit immer neuen Akten-Details dessen Stasi Verstrickung offenlegte. Sie trafen sich im Flughafen Tegel, Highnoon im fast leeren Restaurant. Stolpe schaute mit seinen blauen Augen minutenlang durch Aust hindurch. Dann fragt er ihn nach seinen Motiven. >Ich will Sie als Ministerpräsident nicht aus dem Amt kippen<, antwortet Aust. >Je länger Sie im Amt bleiben, desto mehr Geschichten können wir über Sie machen.< Stolpe: >Wie viele Geschichten wollen wir denn?<«

Wie viele Geschichten? Die Frankfurter Rundschau sprach schon von einer Kampagne, die das »Diffamierungsorgan«, der Spiegel, gegen Stolpe betreibe. Und dann musste Augstein in der von ihm hoch geschätzten Süddeutschen Zeitung von einer »Enthüllungskampagne gegen Stolpe« lesen. Und dass auch der Selbstmord des PDS-Bundestagsabgeordneten Gerhard Riege »Ausdruck des Stasi-Syndroms im vereinigten Deutschland« sei.

Augstein, der einmal gesagt hatte, das müsse man hinnehmen, wenn einer sich nach einer Spiegel-Geschichte umbringe, das könne viele Gründe haben, regte das auf. Er zitierte Leute wie Rainer Eppelmann (CDU), die von ihrem Bruder in Christo Manfred Stolpe (SPD) verlangten, er müsse »die Hosen endlich runterlassen, und zwar bis ganz unten«, und nicht »scheibchenweise erklären, was andere über ihn gefunden haben«.

Mit Eppelmann verlangte Augstein »rückhaltloses Offenlegen« schon aus Gründen einer guten Tradition: »Aber kann denn der Spiegel, der seit 45 Jahren aufklärerisch zu wirken sich bemüht, jetzt auf einmal Akten unterdrücken?« Und erwähnte stolz den »senilen Erich Mielke«, der »im Spiegel schon 1950 als Doppelmörder figurierte«.

Das machte mich neugierig. Ich griff zu den in den achtziger Jahren erschienenen Faksimile-Bänden des Spiegel, die bei mir Staub angesetzt hatten und bei anderen wohl auch. Alle hatten wir sie nur gekauft, aber nie studiert.

1950, Doppelmörder Mielke zum ersten Mal? Heft 5, Seite 11, verrät das Register. Es ist die Spiegel-Ausgabe vom 2. Februar 1950, in der Mielke, genau wie Augstein schrieb, tatsächlich als Doppelmörder registriert ist. Diese Erwähnung findet sich in einer Geschichte über die nach NS-Vorbild gegründete antisemitische Untergrundbewegung NTS (Russische Solidaristen). Sie hat gerade einige Eisenbahnbrücken über die Oder und die Neiße gesprengt. Der Spiegel lobt, dass die NTS-Leute sich an Gandhis Beispiel orientierten. Wahr ist:
Sie wollten Russland von Stalin und von den Juden befreien, dass sie so positive Resonanz im Spiegel fanden, machte mich stutzig.
Aber Augstein hatte sich geirrt. Es war nicht 1950 das erste Mal, Mielke figurierte, wie ich schnell feststellte, schon 1949 zweimal als Doppelmörder im Spiegel. Erstmals am 5. Mai 1949. Im selben Heft entdeckte ich die ... S. 222-224

Lesezitate nach Otto Köhler - Rudolf Augstein
Ein Leben für Deutschland



© 30.6.2002 by
Manuela Haselberger
Quelle: http://www.bookinist.de