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Keine Spur auslassen Ulrich Wickert - Der Richter aus Paris
anz bewusst hat Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert in seinem Buch "Der Richter aus Paris" auf die Genre Zuordnung verzichtet. Es soll den Lesern von Anfang an klar sein, dass es sich dabei nicht um einen fiktiven Roman, sondern, wie im Untertitel erwähnt, um "eine fast wahre Geschichte" handelt.
Wenn der ausgewiesene Frankreich-Liebhaber und profunde Kenner der französischen Verhältnisse über Schmiergeldaffären, schwarze Konten und bestechliche Politiker erzählt, spitzt die Leserschaft hellhörig die Ohren.
Seit mehr als acht Jahren arbeitet der Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou hartnäckig an seinem Fall. Es geht um den Mord an einem General, der, wie sich bei den Ermittlungen herausstellt, ordentlich die schwarzen Kassen der politischen Parteien gefüllt hat. Pikant dabei: der jetzige französische Präsident war zu damaliger Zeit Parteichef. Eigentlich müsste Ricou den höchsten Mann im Staat zur Vernehmung vorladen. Ein schwieriges Unterfangen.
Die Spur zum Mörder des Generals führt Ricou nach Martinique in die Karibik. Doch als er auf der malerischen Insel ankommt, ist der Verdächtige, Gilles Maurel, gerade verstorben. Aber Ricou bleibt seinem ehernen Grundsatz treu, dass er keine Spur auslassen will. In Gesprächen mit der Witwe des Verstorbenen erhält Ricou ein differenziertes Bild über das Leben des Toten. Ein erschütterndes Tagebuch aus der Zeit des Indochina-Krieges, - Maurel erlebte zusammen mit seinem Sohn in einem Gefangenlager der Vietnamesen Unmenschliches, - zeichnet ein ganz neues Bild des Plantagenbesitzers.
Ganz unempfänglich ist Ricou nicht gegenüber den Reizen der schönen, jungen Witwe. Doch bevor er in die Karibik zurückkehren wird, hat er in Paris heikle Aufgaben zu lösen.
Auch wenn Ulrich Wickert auf ein Nachwort in seinem spannenden Realo-Krimi verzichtet hat, ist mehr als deutlich, dass er die französischen Nachbarn sehr genau aufs Korn nimmt. Die Parteienfinanzierung beispielsweise geschieht denkbar einfach und die schwarzen Kassen lassen sich problemlos füllen. Von allen öffentlichen Aufträgen wird ein Prozentsatz abgeschöpft und zu Scheinfirmen transferiert. Dieses Geld wird wiederum in der Schweiz oder auf den Cayman Inseln versteckt, um von dort nach Paris eingeschleust und kofferweise verteilt zu werden.
Beklemmend bei diesem Thriller sind die politischen Praktiken, die es natürlich nicht nur in Frankreich gibt. Um diese Fakten möglichst spannend zu verpacken, hat Wickert bei seinen Schilderungen sehr viel Wert auf die kleinen Details gelegt. Da findet sich beispielsweise ein Moleskin - Notizbuch, das bereits Proust, Hemingway und auch Bruce Chatwin benutzten. Kleinigkeiten, die der Handlung aber nachhaltig Leben und Authentizität einhauchen.
"Der Richter aus Paris" erzählt gut lesbar aktuelle Zeitgeschichte, deren Wurzeln bis in die Zeit des Indochina - Krieges zurückreichen und greift den Streit zwischen Politik und Justiz auf: "Die Justiz tat der Politik nicht weh, schließlich hat die Regierung stets den längeren Atem: denn wer sprach wohl Beförderungen oder Ernennungen aus?"
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© 3.9.2003 by Manuela Haselberger www.bookinist.de |