Bei Mordfällen in Venedig gibt es literarisch nur einen Spezialisten: Kommissar Brunetti. Er führt auch im neuesten Krimi von Donna Leon , wie schon in den vergangenen drei Mordfällen, wieder die Ermittlungen.
Als der bekannte Rechtsanwalt Carlo Trevisan tot im Zug aufgefunden wird, der für seine guten Kontakte zu Banken und führenden Industriellen bekannt ist, stellt sich schnell heraus, daß er ermordet wurde. Welche Rolle spielen die bei ihm entdeckten Telefonnummern nach OstEuropa und Thailand? Hat er Verbindungen zur Mafia? Dreht es sich um Mädchenhandel?
Kommissar Brunetti geht in seinem neuen Fall wieder sehr behutsam vor. Ohne den Richter Beniamin, der ihm hilfreiche inoffizielle Amtshilfe leistet und die sehr kooperative Sekretärin seines Chefs wäre er aufgeschmissen. Selbst seine Tochter Chiarra gibt ihm diesmal nützliche Hinweise und gerät dabei in Gefahr.
Es ist die sehr realitätsnahe Schilderung der Stadt Venedig, die speziellen italienischen Gegebenheiten und die interessante Persönlichkeit des Commissario Brunetti, die den Reiz der Krimis von Donna Leon ausmachen. Weit entfernt vom herkömmlichen Schema der Gut- und Böse-Einteilung, zeigt Donna Leon, daß die Wahrheit, auch wenn sie schon bekannt ist, nur sehr schwer an´s Licht zu bringen ist.
Kommissar Brunetti ermittelt oft unkonventionell, frei von hierarchischem Zwang und starre Vorschriften sind ihm ein Greuel.
Trotz allem ist er äußerst vorsichtig, begibt sich nicht unnötig in Gefahr und denkt als echter Italiener vor allem an seine Familie. Das bringt ihm bei seinen Lesern eine Menge Sympathie ein. Am Schluß des harten Krimis, der von schockierenden Geschäften berichtet, ohne daß von jeder Seite literweise Blut tropft, steht die deprimierende Gewißheit, daß die organisierte Kriminalität auch vor dem Staatsschutz nicht halt macht - glücklicherweise ist dies nur für italienische Verhältnisse denkbar, oder?
© manuela haselberger