Lesezitat
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 Lesezitat
Erste Szene
Flug
über Berlin bei Nacht. Anfangs nur glitzernde, unscharfe Lichter, dann
erkennt man Gebäude, Straßen, Häuser. Schließlich ein Wohnhaus mit
erleuchteten Fenstern, ein Fenster - durch das wir in eine ziemlich ärmliche
Einzimmerwohnung sehen. Emilia, 30, allein.
Sie ist ungeschminkt, trägt schlabberige Allerweltsklamotten, hört ganz laut
Musik und tanzt dazu. Überhört fast das Klingeln an der Haustür. Macht
endlich auf. Es ist Felix, 32, er trägt einen smarten Anzug,
der nicht wirklich gut sitzt. Beide gehören nicht unbedingt zu den Gewinnern,
so viel ist auf den ersten Blick schon klar.
FELIX Ich
klingle schon seit fünf Minuten.
EMILIA ´tschuldigung.
Ich hab nur ein bißchen getanzt... Aggressionen rauslassen, damit ich nachher
nicht meine Pumpgun aus der Handtasche hole und alle umlege.
FELIX Wie
du aussiehst!
EMILIA Wie
seh ich denn aus?
FELIX Scheiße.
Scheiße siehst du aus.
Lesezitat von S.5 aus Doris Dörrie - Happy
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Speck auf der Seele
Doris Dörrie - Happy Ein Drama
al ehrlich, würden Sie ihren Partner im Dunkeln erkennen? Ganz sicher? Ihn wirklich nicht verwechseln? Dieses Partyspiel fasziniert auch die drei Paare in Doris Dörries neuem Buch "Happy".
Sie treffen sich zu einem gemeinsamen Abendessen. Emilia und Felix leben seit einiger Zeit getrennt und leiden beide noch unter der neuen Situation. Boris und Annette bemühen sich sehr, ihr gemeinsames Glück festzuhalten und bei Dylan und Charlotte kriselt es immer häufiger. Der stärkste Vorwurf von Charlotte: "Du entwickelst Speck auf der Seele."... "Ja, deshalb siehst du mich nicht mehr, und deshalb komme ich nicht mehr an dich heran."
Richtig Lust auf die Einladung hat keiner, geht es doch wieder einmal darum den anderen das eigene glückliche Leben vorzuspielen. Bis Felix auf die Idee kommt und wettet, dass sich Annette, Boris, Charlotte und Dylan nie im Dunkeln erkennen würden. Die Wette gilt, doch danach ist keine Beziehung mehr wie zuvor. Wer hat wirklich wen betastet? Und wer war's tatsächlich?
"Happy" ist ein streng komponiertes Drama, geschrieben in Dialogform, das von Anfang an zur Verfilmung angelegt ist. Die Gespräche der Paare über ihre Beziehung, ihr Leben, ihre Vorstellung von Liebe, Glück und Sex sind der Gegenwart abgelauscht. Auch die Finanzkraft ist unterschiedlich verteilt. Während Dylan zu den Aktienmillionären gehört, der einen rasanten beruflichen Aufstieg hinter sich hat, ist Emilia seit ihrer Trennung nicht vom Geldsegen verwöhnt worden.
"Alle sehnen sich nach etwas anderem. Die glücklichen, die wirklich zusammen leben, weil sie sich lieben, sind so wenige. Die ganzen Familien, die wenn ihre Mörderphantasien ans Licht kämen, alle eingesperrt werden müssten, all die Wahnsinnigen, die wahnsinnig sind, weil die Liebe sie wahnsinnig gemacht hat."
Doris Dörrie wirft einen genauen, sehr scharfen Blick hinter die Kulissen schicker Lofts im Hightech- Stil, gestylt von "Schöner Wohnen" und bevölkert mit einsamen, unglücklichen Figuren, auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück. Aber das selbstverständlich in Designer Klamotten und perfektem Make - up. Man darf auf die Verfilmung gespannt sein.
© manuela haselberger
2001, Zürich, Diogenes, 111 S., 13.90 € (HC)
2002, Zürich, Diogenes, 111 S., 6.90 € (TB)
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